Segmentanatomie und Akupunktur Massage nach Radloff® (2)

Im 2. Teil dieser Artikelserie möchte ich mich mit den verschiedenen „Tomen“ befassen. Um Rückschlüsse über ev. betroffene bzw. Beschwerdeverursachende Organstrukturen machen zu können ist es oftmals unerlässlich die Verbindungen der einzelnen Anteile eines Segmentes und die körperliche Lokalisation zu kennen.  

Die Gefahr dieser Artikelserie besteht darin, dass wir die energetischen Zusammenhänge aus den Augen verlieren! Deshalb meine Hinweis: Obwohl die Behandlung immer den energetischen Grundsätzen folgen muss, immer ganz klar unterscheiden ob wir energetisch oder westlich organisch denken.

Die Dermatome

Die Dermatome sind die äusserste Schicht des menschlichen Körpers. Hier zeigen sich Störungen des Inneren durch Veränderungen oder Empfindlichkeiten. Wenn wir diese Erkennen und das betroffene Dermatom zuordnen können, erhalten wir eine wunderbare Möglichkeit den Menschen zu lesen. Man unterscheidet grundsätzlich sensible (algetische und taktile) und vegetativ-motorische Dermatome.

Die Algesie Dermatome werden durch Prüfung der Schmerzempfindung bestimmt. Die Head’schen Zonen sind Ausdruck dieser Algesie-Dermatome. Ich werde sie im 3. Teil dieser Serie besprechen.

Die taktilen Dermatome werden durch Prüfung der Tastempfindung bestimmt. Sie eignen sich nicht zur Bestimmung von Segmentsgrenzen. Die taktilen Zeichen werden deshalb eher untergeordnet betrachtet.

Die vegetativ-motorischen Dermatome zeigen sich am Körper in Form von vegetativ-reflektorischen Zeichen. (Siehe Teil 1 dieser Artikelserie)

Innere Erkrankungen projizieren sich über die Rückenmarksegmente also wie folgt in die Dermatome;

  • In die algetischen Dermatome mit hyperalgetischen Phänomenen
  • In die vegetativen Dermatome in Form von vegetativ-reflektorischen Phänomenen wie Vasokonstriktion, erhöhter Schweisssekretion usw.

 

Wir können dabei Zuordnungen über die Head’schen Zonen und die Head’schen Maximalpunkte in Form einer Über- oder Unterempfindlichkeit, und über die Maximalflächen der Dermatome in Form von subkutanen Schwellungen oder Einziehungen, machen.

Auf seinem Weg zum Dermatom gibt der Spinalnerv viele Nebenäste zu segmentidenten Myotom und Sklerotom-Anteilen ab. Dadurch zeigt sich eine innere Störung in der Regel an verschiedenen Körperbereichen, da z.B. Myotome nicht deckungsgleich mit den Dermatomen sind. Aus diesem Grunde ist es wichtig die Lage der Dermatome bzw. ihre segmentale Zuordnung zu kennen.

Die Myotome

Die Muskeläste sind Nebenäste, die der Spinalnerv auf seinem Weg zum Dermatom an Myotome abgibt. Eine erste Einteilung kann über die Muskulatur der oberen und unteren Extremitäten und über die Rumpfmuskulatur gemacht werden.

Die Reaktion der Muskulatur auf übertragene Reize der inneren Organe kann von Hypotonus und Hypertonus, Bildung von Myogelosen bis hin zu Schmerzen reichen. Alle Muskelverspannungen können demnach ihre Ursache in einer organischen Störung haben. Diese Störung kann „nur“ energetischer Art sein, aber auch eine morphopathologische Veränderung des Organes bedeuten. Im Weiteren heisst das, dass die Körperhaltung, vielleicht auch nur die Gesichtsmimik, durch übertragene Reize verändert werden kann. Man kann oft allein aus der Haltung oder einer Bewegungseinschränkung durch Blickdiagnose einen Hinweis auf eine Segmentstörung und somit eine Störung der angeschlossenen Strukturen erahnen. Ein kontrahierter M. Trapezius weist z.B. auf eine organische Störung homolateral zum betroffenen Muskel hin.

Genau wie bei den Dermatomen kann auch hier über eine Reizsetzung am entsprechenden Myotom auf die angeschlossen Strukturen der energetisch leeren Enterotome eine positive Wirkung erzielt werden. Klassisches Beispiel wäre hier die Triggerpunktbehandlung. Die Behandlung von Triggerpunkten macht nur bei energetisch leeren Verursacherorganen Sinn! Und auch dann nur wenn die muskuläre Verhärtung klar diesem Organ zugeordnet werden kann.

Die cervikalen Myotome

Sie sind wie eine grosse Kapuze über den Hals, Nacken, Arm und Rückenbereich gestülpt, und sind dadurch auch nicht deckungsgleich mit den cervikalen Dermatomen. Sie haben vor allem Einfluss auf die gesamte Arm- und Schultergürtelmuskulatur, reichen aber über den M. latissimus bis zum Beckenkamm!

  • C1 - C3 bilden die oberflächliche und tiefe Hals- und Nackenmuskulatur.
  • C4 - C5 die Muskulatur des Schultergürtels
  • C5 - T1 die Muskulatur der Arme und Finger sowie die ventrale und dorsale Muskulatur der Thoraxwand.

 

Eine organische Zuordnung kann aufgrund der vielfältigen Überlagerungen nur geringfügig gemacht werden. Alle Organe mit neuralem Einfluss nach cranial gemäss Sympathikus-/Parasympathikus-Verbindung haben auch Einfluss auf den cranialen Bereich der Myotome.

Es sind dies folgende Organe:

Herz, Aorta, Lunge, Ösophaus, Magen, Duodenum, Pankreas, Leber, Gallenblase, Dünndarm, Colon ascendens, Niere.

Keinen neuralen, aber sehr wohl einen energetischen Einfluss in den cervikalen Bereich, haben:

Uterus, Ovarien, Hoden, Nebenhoden, Colon descendens, Rectum, Harnblase, Harnleiter und Prostata

Allerdings kann gemäss den Regeln Mittag-Mitternacht und Ehefrau-Ehemann auch ein energetischer Einfluss z.B. auf Schulterschmerzen bestehen. Eine leere Blase kann sich in einem vollen 3-fach-Erwärmer äussern was den Pars medialis des M. Deltoideus stark beeinträchtigen kann.

Die thorakalen Myotome

Sie bilden die tiefe autochtone Rumpfmuskulatur. Sie liegen in Höhe ihrer Sklerotome.

  • Im dorsalen Bereich sind die thorakalen Myotome von cervikalen Myotomen überlagert und stehen mit den thorakalen Dermatomen in Wechselbeziehung.
  • Im ventralen Bereich von Xyphoid bis Symphyse bilden die Myotome T6-T12 die Bauchwand und liegen deckungsgleich unter ihren Dermatomen.
  • Die inneren Organe projizieren sich in diesem Bereich vor allem in die ventro-lateralen Myotome. Eine Ausnahme bilden die Nieren, die sich nach dorsal projizieren.

 

Praktisch nutzbar sind vor allem beobachtbare Verspannungen im Bereich der Bauchmuskulatur.

  • Leber und Gallenblase zeigen Muskelverspannungen rechts am Rand des M. rectus abdominalis zwischen Nabel und Rippen.
  • Magenerkrankungen zeigen sich zwischen Nabel und Xyphoid.
  • Der Dünndarm rund um den Nabel.
  • Der Dickdarm entsprechend der segmentalen Zugehörigkeit seiner einzelnen Anteile von T9 –L3.
  • Appendix Reizung rechts am Unterbauch bei Th12.

 

Die lumbo-sacralen Myotome

Funktion der Myotomgruppen:

  • Die kranialeren Myotome L1-L3 beugen die Hüfte und Adduzieren den Oberschenkel.
  • Die Myotome L4/L5 strecken das Knie und rotieren das Bein nach aussen.
  • Die Myotome S1/S2 beugen das Bein im Kniegelenk.

 

Kenn-Muskeln (Hansen und Schliak)

  • L3 = M quadrizeps femoris
  • L4 = M. tibialis anterior
  • L5 = M. extensor hallucis longus
  • S1 = M. peronaeus longus und brevis

Die folgenden Organe strahlen direkt in die Beine:

Uterus, Ovarien, Hoden, Dickdarm, Dünndarm, Niere, Harnblase, Harnleiter und Prostata.

Die Sklerotome

Für die Praxis scheinen mir vor allem Zeichen der Sklerotome im Bereich der Wirbelsäule und der unteren Extremitäten nutzbar.

Die Wirbelsäule

Mackenzie sieht die druckdolenten Dornfortsätze als erstes Zeichen einer inneren Erkrankung.

  • Erkrankungen des Herzens und der Lunge zeigen sich in den Dornfortsätzen C6-T4
  • Erkrankungen des Magens und Duodenums projizieren sich in den Dornfortsätzen T3 –T8
  • Leber und Gallenblase T7-T11
  • Rectum und Urogenitaltrakt T8-T10 und L5 und oberer Anteil Sacrum (Wancura und Mackenzie)

Untere Extremitäten

Sie ähneln in ihrer Form und Lage den Dermatomen und Myotomen. Bei periostalen Reizungen oder arthritischen Veränderungen, wie aufgeschwollene Knochenstrukturen, ist an die segmentale Zugehörigkeit zu denken!

Beispiel

Ein linkseitiger Schulterschmerz mit Hyperalgesien der Haut über dem M. Trapezius (Dermatom C3,C4) muskulären Verkürzungen und Schmerzen. Die Ursache kann aufgrund segmentaler wie energetischer Zusammenhänge in allen linksseitig innervierten Organen liegen. Dies immer unter der Voraussetzung dass alle anderen Ursachen der Energieflusstörungen ausgeschlossen werden können.

Die Dermatome T2-T3 und T11-L2 sind verändert. Es kommen also nur noch die entsprechenden Organe die in diesen Segmenten innerviert werden als Verursacher in Frage. (Lunge, Herz in Verbindung mit T2-T3 und Dickdarm links, Niere und Ureter, Harnblase Hoden und Ovar/Uterus links in Verbindung mit T11-L2). Bezüglich den Alarmpunkten würde das heissen wir erhalten potentiell Lu, Herz, Di, Dü, Ni und Blase links.

Durch abtasten der Alarmpunkte können wir einen weiteren Filter anwenden. Denn hier erscheinen die tatsächlich gestörten Organe. Erhalten wir z.B. die Alarmpunkt Lu, Ma, Gbl und Ni kommen nur noch Lu und Ni als Verursacher in Frage. Aufgrund des Conchabefundes können wir den energetisch richtigen Reiz setzen.

Mit Hilfe des segmentalen Denkens können wir also in der Befunderhebung noch gezielter und schneller Zusammenhänge erfassen.

 

Im nächsten Artikel werde ich genauer auf die Innervation der einzelnen Organe eingehen.

 

Literaturverzeichnis

Ingrid Wancura-Kampik: Segment-Anatomie

Ilse Schuh: Bindegewebsmassage

Werner Platzer: Taschenatlas der Anatomie, Bewegungsapparat

Werner Platzer: Taschenatlas der Anatomie, Nervensystem und Sinnesorgane

Werner Platzer: Taschenatlas der Anatomie, Innere Organe

Frank H. Netter: Atlas der Anatomie des Menschen