Peter Jeker, Institutsleitung Lehrinstitut Radloff, APM-Therapeut

Interpretation und nachhaltige Behandlung von Schmerzen mit der Akupunktur Massage nach Radloff

Die Methode Akupunktur Massage nach Radloff hat in der Schmerztherapie erstaunliche Erfolge erzielt. Der Grund dafür könnte in der Interpretation von Symptomen und der energetischen Befunderhebung liegen. Dabei geht die APM nach Radloff einen eigenwilligen Weg, basierend auf Wissen der chinesischen Medizin, westlicher Manual therapeutischer Ansätze und der Befunderhebung über die Ohr-Reflexzonen-Kontrolle.

Die Chinesische Medizin erklärt Schmerzen aller Art mit einem gestörten Gleichgewicht zwischen Yin und Yang. Also einer unausgewogenen Verteilung von Qj im Körper. Die Interpretation der Ursachen für Schmerzen gestaltet sich meist komplex, da es aufgrund verschiedener energetischer Qualitäten gilt, diese differenziert zu interpretieren und den effektiven Verursacher zu eruieren. Besonders bei chronischen Schmerzen gleicht das Erkennen des Verursachers, der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen! Die meisten Klienten haben bereits unzählige Diagnosen und Behandlungen durchlaufen und wollen eigentlich nur noch ernst genommen und von ihrem Leiden befreit werden. Die Anwendung von Punktrezepten oder „Wunderpunkten“, halten meist nicht das, was sie versprechen und entbinden uns auch in der CM nicht davon, eine sorgfältige Anamnese durchzuführen und ein darauf basierendes Therapiekonzept für unsere Klienten zu erstellen.

Die APM wurde in den fünfziger Jahren, aus verschiedenen Veröffentlichungen zu Themen der Chinesischen Medizin (CM) entwickelt. Im Unterschied zur CM, wurde in der APM von Anfang an, der ganze Meridian in die Behandlung einbezogen, dies mit dem Ziel, ungehinderte Flussbedingungen zu schaffen. Wesentlich zur Komplettierung der Methode beigetragen, haben die Möglichkeiten der differenzierten Befunderhebung, durch die Ohr-Reflexzonen-Kontrolle nach Radloff. So entstand ein Behandlungskonzept das die Prinzipien von Yin und Yang, von Fülle und Leere und das Modell der Wandlungsphasen aus der CM einbezieht.

Durch die Befunderhebung wird ersichtlich, dass mangelnde Flussbedingungen, Projektionen innerer Organe über neurale Segmente oder Meridianverläufe, nicht artikulierende Gelenke und anderes mehr, als mögliche Ursachen für Schmerzen aller Art verantwortlich sein können. Da die APM, neben den Erklärungsmodellen der CM, auch westliche Sichtweisen, wie segmentreflektorische Zusammenhänge und Manual therapeutische Ansätze integriert (Klaus Radloff; Band A und Band B der Akupunktur Massage nach Radloff), können dadurch sowohl energetische Qualitäten, wie auch strukturelle Veränderungen beeinflusst werden. Symptomatiken werden durch diesen Ansatz primär auf ihre Ursache hin untersucht und in einen ganzheitlichen Kontext gestellt. Die Behandlungskonzepte sind individuell und werden in jeder Sitzung mehrmals überprüft. Zu diesem System gehören neben der reproduzierbaren Auslegung von Ohrpunkten, auch die Interpretation der Mu- und Shu-Punkte, sowie der segmentalen Zuordnung von Bindegewebszonen und Muskulatur. Entsprechend den Störungen in den verschiedenen Ebenen (siehe Abb. 1) kommen die bekannten energetischen Regeln der CM (Mittag-Mitternacht, Ehemann-Ehefrau, etc.)  zur Anwendung.

Energetische Ebenen des Körpers

Befunderhebung und Therapie basieren in der APM nach Radloff auf dem Modell der drei energetischen Ebenen (Reinhard Bayerlein / Energetische Akupunktur / Pflaum 2008). Dabei teilt man den Organismus in eine äussere Meridian- oder Abwehrebene, eine mittlere Organ- oder Nährebene und eine innere Konstitutions- oder energetische Kernebene. In jeder dieser Ebenen können Ursachen für Schmerzzustände liegen und entsprechend beeinflusst werden. In der APM hat man für jede dieser Ebenen Befunderhebungsmöglichkeiten und therapeutische Ansätze. Dabei ist von zentraler Bedeutung, dass der Arbeitsprozess von der äussersten Ebene kontinuierlich zur Innersten hin verläuft. Eine Intervention auf der Ebene der Konstitution wird also erst dann in Betracht gezogen, wenn zuvor optimale Flussbedingungen auf der Meridian- und der Organebene geschaffen wurden. Dadurch ist gewährleistet, dass Ursachen systematisch eingegrenzt und differenziert werden.

In der ersten Ebene wird primär am System der Leitbahnen gearbeitet. Dabei werden auch nicht-artikulierende Gelenke in die Behandlung einbezogen und mit Manual therapeutischen Massnahmen am Bewegungsapparat behandelt. Die mittlere Ebene entspricht den funktionellen Störungen der Organe und der Stoffwechselvorgängen. Sie werden durch gezielte Energieverlagerung beeinflusst. Die Behandlung kann dabei über Alarm- und Zustimmungspunkte, über Steuerungspunkte, über die Behandlung des Bindegewebes und wiederum durch Manual Therapeutische Massnahmen erfolgen. In der dritten Ebene treffen wir auf konstitutionelle Veranlagungen. Dabei gelangt das Modell der Wandlungsphasen der CM zur Anwendung. Unterstützende Massnahmen wie Tees, Kräuter, Fragen zur Lebensführung, zur Ernährung und der Emotionalität spielen dabei eine wichtige Rolle. Auch diese Aspekte werden energetisch interpretiert und nach dem Modell des Ausgleichens behandelt.

Die Ohr-Reflexzonen-Kontrolle (ORK) spielt dabei eine zentrale Rolle. So wird es durch diese Befunderhebungstechnik möglich, den energetischen Zustand des Schmerzes zu eruieren. Das bedeutet, dass daraus hervorgeht, ob es sich dabei um einen ‚Fülle- oder einen Leereschmerz‘ handelt. Denn es ist durchaus möglich, dass vergleichbare Symptome aufgrund einer Fülle oder einer Leere entstehen. So kann beispielsweise die Kälteanwendung bei Schmerzen nicht generell empfohlen werden. Je nach energetischem Zustand erfordert die Linderung Kälte oder Wärme! Die Diagnosefindung in der APM nach Radloff basiert nicht auf der Interpretation von Symptomen sondern auf der Interpretation und dem Ausgleich von Yin und Yang.

Die Befunderhebung durch die ORK ermöglicht durch das Modell der Energieebenen das interpretieren komplexer Symptomatik. Das konsequente Anwenden der Regeln des Ausgleichens und Umverteilens, ermöglicht eine gezielte, immer wieder auf den Zustand des Klienten angepasste und nachhaltige Behandlung

Beispiel

Klientin, 52 Jahre, rezidivierend auftretender, linksseitige Schulter- und Nackenbeschwerden

Die Behandlung der Klientin konzentrierte sich vorerst auf das Schaffen von Flussbedingungen und die Manual therapeutische Behandlung der Becken- und Wirbelsäulengelenke. Diese Massnahmen brachten auch eine kurzzeitige Besserung der Symptome, es konnte jedoch keine Nachhaltigkeit erzielt werden.

Die getroffenen Massnahmen wirken, nach Abbildung 1, auf der ersten Ebene. Offensichtlich lag aber die Ursache der Beschwerden auf der darunterliegenden Organebene. Darauf wies auch die vorhandene Ohr-Zone ‚Magen‘ hin. Der Alarmpunkt ‚Magen‘ war zudem stets druckempfindlich und eine ausgeprägte linksseitige, bindegewebige Quellzone im Bereich der unteren Rippen, erhärteten den Verdacht einer rechtsseitigen Oberbaucherkrankung. Weitere Hinweise fanden sich zunächst nicht. Es lagen keine speziellen Druck- oder Spannungsempfindlichkeiten vor und die Klientin hatte in diesem Bereich keine weiteren Beschwerden.

Durch die Befunderhebung mittels der Ohr-Reflexzonen-Kontrolle und die spezielle Tastung einzelner Alarmpunkte, konnte jedoch eruiert werden, dass sich der Magen in einer energetischen Fülle, die Gallenblase und der Dickdarm jedoch in einer energetischen Leere befanden. Die Umverteilung der Energie musste also vom Magen in die Gallenblase und den Dickdarm stattfinden. Diese Massnahme zeigte eine deutliche Besserung die auch ca. zwei Tage anhielt; - danach baute sich der Schmerz wieder auf.

Schon in der Anamnese hatte sich gezeigt, dass die Klientin konstitutionell dem Holz und Wasser zugeordnet werden konnte. Aus diesem Grund wurden in der nächsten Behandlung die leeren Elemente Holz und Wasser tonisierend behandelt. Zusätzlich erhielt die Klientin unterstützende Tees für die Leber und die Nieren, welche sie für 3 Wochen einnahm. Diese Intervention erst machte es möglich, dass Schulter und Nacken nachhaltig vom Schmerz befreit werden konnten.

Kommentar

Durch das Modell der Energieebenen wird deutlich, dass Beschwerden vielschichtig interpretiert und behandelt werden müssen. Der traditionelle Weg der TCM wäre vielleicht zum vornherein über die Beeinflussung der Elemente Holz und Wasser verlaufen. Doch durch die bestehenden Blockaden in den Meridianen, hätte sich das Beschwerdebild entweder wieder aufgebaut, oder wäre an anderer Stelle wieder aufgetreten.

Die klassische Schulmedizin hätte die Schulter manualtherapeutisch behandelt. Aufgrund der dahinterstehenden internistischen Ursachen wäre auch dieser Weg wohl nicht nachhaltig.

Zusammenfassung

Schmerzsymptomatiken sind so oft schwierig zu behandeln, weil Symptom und Ursache nicht am gleichen Ort oder auf die Ursächlichkeit zurückzuführen sind. Doch energetische und strukturelle Systeme beeinflussen sich gegenseitig und sind nicht an die gängige Trennung von westlicher und östlicher Medizin gebunden. Das bedeutet, dass Therapien erst dann nachhaltig wirksam angewendet werden können, wenn alle Aspekte der gegenseitigen Beeinflussung von Systemen in Betracht gezogen worden sind.

Die APM nach Radloff ist eine Methode, die vollständig auf dem Konzept der Energetik basiert, und westliche Behandlungssysteme integriert.  Schmerzzustände und funktionelle Organstörungen können dadurch gezielt und nachhaltig beeinflusst werden. Auf dem TCM Kongress in Rothenburg ob der Tauber wird die APM nach Radloff als eine spezifische Methode zur Schmerzbehandlung von Peter Jeker (CH) vorgestellt.

Literatur

Schmidt / Der gelbe Kaiser zur inneren Medizin / Bacopa 2001

Platsch / Die fünf Wandlungsphasen / Urban&Fischer 2005

Lorenzen / Mikrokosmische Landschaften / Müller&Steinicke 2006

Bayerlein / Energetische Akupunktur / Pflaum 2008  

Jeker/Radloff/Rajimakers / Diaphragma-Zervikalreflex / ECM 3/2009

Jeker / Die Behandlung myofascialer Verspannungen mit der Akupunktur Massage nach Radloff /Reflexe 2 /2010