Peter Jeker

Wie Klaus Radloff die Ohr-Reflexzonen-Kontrolle entwickelte

Eine der grössten Errungenschaften von Klaus Radloff ist zweifelsohne die Entwicklung der Ohr-Reflexzonen-Kontrolle. Ich bestaune das Ergebnis dieser Arbeit immer wieder während meiner täglichen Arbeit in der Praxis oder während meiner Unterrichtstätigkeit. Mich beeindrucken insbesondere die allgemeingültigen Aussagen, die Zuverlässigkeit und die Präzision. Durch jahrelanges, beharrliches Ausprobieren und Hinterfragen hat Klaus Radloff die Kartografie des Ohres definiert. Die Grundlage unserer täglichen Arbeit basiert auf dieser Meisterleistung.

Im folgenden Artikel möchte ich die Entstehungsgeschichte der Ohr-Reflexzonen-Kontrolle nach Radloff beleuchten. Wie ist Klaus Radloff vorgegangen? Was waren seine Beweggründe? Eigentlich wollte ich, dass Klaus diesen Artikel selbst schreibt. Aber seine zurückhaltende Art, wenn es um seine Person ging, verhinderte dies. Er gab mir mündliche Informationen, die ich zusammen mit schriftlichen Unterlagen in einem verständlichen Text zu verarbeiten versuche.

Die Geschichte der Ohrakupunktur

Zur Geschichte der Ohrakupunktur wurde wiederholt geschrieben. Aus diesem Grunde verzichte ich darauf, möchte aber auf den A-Band von Klaus Radloff ab S. 213 oder auf unseren Fachartikel Die Geschichte der Ohrtherapie verweisen. Dort sind die geschichtlichen Hintergründe ausführlich beschrieben.

Die Entstehung der Ohr-Reflexzonen-Kontrolle

Zuerst war die Ohr-Reflexzonen-Massage (ORM)

1979 gab Klaus Radloff ein Manuskript zur ORM heraus. Ursprünglich war beabsichtigt, die Inhalte der Ohrakupunktur auf die Bedürfnisse manuell tätiger Behandler – Masseure, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten etc. – auszurichten. Da diesem Personenkreis der Einsatz von Nadeln gesetzlich untersagt ist, sollten die Auswirkungen manueller Reize auf die Ohrmuscheln erprobt werden. Klaus Radloff entwickelte ca. 1979 die Ohr-Reflexzonen-Massage (ORM). Mit der ORM sollten Behandlungsreize, die am Körper gemacht wurden, mit Hilfe von Reizen an der Ohrmuschel intensiviert werden. Auf den Grundlagen von Nogiers Auriculotherapie suchte Klaus Radloff nach praktischen Anwendungsmöglichkeiten. Um aber nicht des Ideenklaus bezichtigt zu werden, vertiefte er sein Wissen bezüglich Nogiers Arbeit nicht. Er versuchte sowohl mit Punktrezepten als auch mit der Behandlung einzelner Ohrpunkte eine reproduzierbare Wirkung zu erzielen. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass die der Ohrakupunktur zu Grunde liegende Idee nicht umsetzbar war. Das bedeutete nun keinesfalls, dass nadellose Reizungen der Ohrareale wirkungslos waren. Im Gegenteil, die Wirkungen waren teilweise sehr deutlich, aber nicht unbedingt berechenbar. Es fehlte die Unterscheidung von Fülle und Leerezuständen am Ohr. Es stellten sich ihm folgende Fragen:

  • Wie entstehen Ohrzonen?
  • Wie ist ihre energetische Beurteilung?
  • Wie ist die energetische Beurteilung der korrespondierenden Körpergebiete?

Die Entstehung von Ohrzonen

1963 bewies Doktor Niboyet, dass Akupunkturpunkte einen schwächeren elektrischen Widerstand haben als ihre Umgebung. Mit einem Widerstandsmessgerät lassen sich im Abstand von einem Cun über den ganzen Körper verteilt solche Punkte finden. Es sind also viel mehr als die 365 definierten Akupunkturpunkte der TCM. Die Körperpunkte lassen sich immer finden. Die Ohrpunkte hingegen sind beim gesunden Menschen nicht vorhanden. Erst wenn eine Störung des Körpers vorliegt, wird der entsprechende Korrespondenzpunkt nachweisbar.

Daraus ergab sich erstmals die Folgerung, dass die Ohrpunkte nicht nur zur Therapie sondern auch als Diagnosehinweise zu verwerten sind.

Klaus tastete die Ohrmuschel einer gesunden Person mit dem Stäbchen ab und fand keine Empfindungsunterschiede. Eine kleine Tischlerzwinge oder Klammer wurde nun mit leicht schmerzhaftem Druck am Daumenballen der Versuchsperson befestigt und dort 5 Minuten belassen. Danach wurde das Ohr wiederum abgetastet und an der Handgelenkszone der gleichseitigen Ohrmuschel wurde eine deutlich empfindliche Zone gefunden!

Dieser Versuch konnte mit jedem anderen Körperteil wiederholt werden. Daraus liessen sich zwei Eigenschaften der Ohrzonen beobachten:

  • Ein gesunder Organismus hat keine Ohrzonen.
  • Ohrzonen treten immer seitengleich auf.

Die energetischen Qualitäten von Ohrzonen

Mit Hilfe von Hautwiderstandmessgeräten und Temperaturmessgeräten definierte Klaus Radloff, dass druckempfindliche Ohrzonen energetisch leer sind. Ihre Temperatur und Durchblutung sind vermindert. Er fand aber auch Ohrzonen, deren elektrische Leitfähigkeit, Temperatur und Durchblutung erhöht waren. Allerdings waren diese Ohrzonen nicht druckempfindlich. Er definierte sie als energetisch volle Ohrzonen.

Die energetische Beurteilung korrespondierender Körpergebiete

Jede Reizung am Körper und jeder entzündliche Zustand entspricht einem Füllezustand. Radloff entdeckte, dass sich diese Füllezustände im Ohr nur im Bereich der Scapha, der Antihelix, der Fossa Triangularis und der Concha als druckempfindliche Ohrzone auffinden liessen. Durch Massage oder Reizung der Ohrzonen liess sich der Füllezustand am Körper vermindern, also sedieren.

Für die Gebiete des Lobulus und der Helix beobachtete er aber eine umgekehrte Wirkung. Hier wirken tonisierende Reize tonisierend und sedierende Reize sedierend auf das korrespondierende Gebiet. Als Begründung dafür sah er die unterschiedliche neurale Innervation. Lobulus und Helix werden vom Plexus cervicalis superficialis versorgt. Antihelix und die Concha hingegen von den Hirnnerven Vagus und dem oberen Trigeminusast.

Yin und Yang in der Ohrmuschel

Im Zuge seiner Versuche, druckempfindliche Ohrzonen zu produzieren, stellte sich heraus, dass sich z.B. eine Kniezone im Yang nur an der Hinterseite des Ohres zeigt. Daraus definierte er: Für den Körper wie für die Ohrmuschel gilt: Yang ist hinten, Yin ist vorne.

Zusammenfassend waren folgende Erkenntnisse geschaffen:

  • Die Vorderseite im Ohr entspricht dem Yin, die Rückseite im Ohr dem Yang.
  • Tonisierende Reize im Inneren der Ohrmuschel (Scapha, Antihelix, Fossa, Concha) haben einen sedierenden Effekt am Körper.
  • Tonisierende Reize auf Helix und Helixrinne, am Lobulus und am Antitragus wirken tonisierend auf das korrespondierende Körpergebiet.
  • Die Linien des GG und KG entsprechen der Helixaussenkante und der Helixrinne.

In dieser Phase der Versuche war das Ziel, über die Ohrzonen Einfluss auf den Körper nehmen zu können. Immer war ihm klar, dass die Behandlung über die Ohrmuschel nur eine intensivierende Massnahme zu den am Körper direkt gesetzten Reize sein konnte. Anfänglich glaubte er noch, dass er durch das Reizen der Ohrzonen einen Ebbe-Fluteffekt auslösen würde. Er probierte nun die Zonen entsprechend der Ergebnisse mit dem Stäbchen zu massieren. Es entstand die oben erwähnte ORM.

Folgende Denkweise: Wenn er z.B. eine SAM dorsal gemacht hatte, reizte er danach die Bein- und Armzonen auf der Antihelix und in der Scapha mit dem Stäbchen. Dies sollte ein sedieren der Yin Gebiete am Körper verursachen und gleichzeitig das Yang anregen. Danach reizte er auch die gesamte Helixaussenkante, also die Korrespondenzzone des Gouverneursgefässes. Damit sollte ein Tonisieren des Yangkörpergebietes provoziert werden.

Die Ergebnisse, die Klaus Radloff beobachtete, waren unterschiedlich. Es konnten sehr starke Reaktionen bis hin zu keiner Reaktion beobachtet werden. Die Berechenbarkeit der Intensität der Reaktion sowie die unzuverlässige Reproduzierbarkeit stellten zusätzliche Probleme dar. Aus diesen Gründen fand Klaus Radloff das Ergebnis unbefriedigend. Diese zwiespältigen Reaktionen waren zugleich ausschlaggebend dafür, die Ohrmuscheln ausschliesslich zur Befunderhebung heranzuziehen. Er suchte weiter nach zuverlässig reproduzierbaren Aussagen und definierte nach und nach die Ohr-Reflexzonen-Kontrolle wie wir heute mit ihr arbeiten.